Als wir in Uluru - Kata Tjuta Park ankommen, sind wir von zwei Sandstürmen verfolgt. Wir entgehen sie nur schwierig. Sie nehmen zuletzt eine andere Richtung als wir.
Der Campground in Yulara, dem Resort an der Grenze zum Park, ist leer. Ganz außerhalb der Saison. Wir werden fast allein sein, um eine der meist besuchten Sehenswürdigkeiten Australiens zu genießen.
Uluru ist unter dem Namen Ayer's Rock besser bekannt, und ist sicherlich der meist bekannte Monolith der Welt. Er zieht mehr als 400.000 Besucher im Jahr an, was von ihm die meist fotografierte "Rock Star" macht, wie der Lonely Planet sagt. Uluru liegt ganz in der Mitte Australien und ist 348 Meter höher als das umliegende Plateau. Es ist ein heiliger Ort der einheimlichen Völker Pitjantjatjara und Yankunytjatjara (selber genannte Anangus). Seine geologische Besonderheiten und seine kulturelle Bedeutung haben von ihm das Symbol Australiens gemacht. Uluru - Kata Tjuta Park gehört zur Unesco Welterbe.
Wir fahren (wie immer) zuerst zum kulturellen Zentrum des Parks, um die Geschichte und Umwelt des Ortes besser zu verstehen
Zuerst etwas Geschichte. 1873 kommen die ersten Europäer in das Gebiet. Sie sind auf der Suche nach freien Stellen für den Bau der transaustralischen Telegraphenlinie. Der "Entdecker" von Uluru, William Grosse, nennt den Fels Ayer's Rock. Sie lernen ein Nomadenvolk kennen, das aus Jagd und Ernten lebt. Die Einheimischen Pitjantjatjara und Yankunytjatjara wandern abhängig von den Bewegungen der Känguru- und Emugruppen zwischen Uluru und Kata Tjuta, einer Menge grosser Steinbildungen etwa fünfzig Kilometer entfernt.
Die Einheimischen besitzen ausgezeichnete Kenntnisse ihrer Umwelt und schaffen es, sich über das ganze Jahr in diesem besonders trockenen Gebiet zu ernähren. Die Ausstellung stellt die Holztypen anhand von Bildern und Mustern vor, die abhängig von ihrer Härte für die Herstellung von Waffen, Werkzeugen oder Küchenzubehör verwendet werden.
Wüstenpflanzen sind von den Frauen sehr gut bekannt: sie kennen die Eigenschaften von jeder, um sich zu ernähren oder zu pflegen. Sie sammeln auch Obst, Kerne, Insekten, die sie in große Kürbisflaschen stellen. Diese werden aus Stücken Baumrinde erstellt. Honigameisen (die anscheinend eher nach Erdnussbutter schmecken) und große Larven, die auch in den Wurzeln bestimmter Bäume leben, werden auch gesammelt und ins Lager gebracht. Frauen und Männer übertragen ihr Wissen den jüngeren Generationen währen sehr wichtiger Einweihungszeremonien. Viele dieser Rituale finden im heiligen Uluru statt.
Die Ankunft der Weißen in dieses kleine Paradies ändert natürlich alles. Mit den Viehzüchtern, die nach freien Felder für ihre Herden Anfang des 20. Jahrhunderts suchen, den Touristen, die nach und nach ab den vierziger Jahren herkommen gibt es immer mehr Konflikte mit den Einheimischen Die Anangus verlangen das Eigentum der Territorien um Uluru herum. Erst in Oktober 1985 bekommen sie die Rückübertragung, die bisher immer abgelehnt wurde....aber nur mit der Bedingung, dass die National Park and Wildlife Agency das Territorium 99 Jahre lang mieten kann, und dass beide Organisationen den Park gemeinsam verwalten. Heutzutage besteht der Verwaltungsrat zur Hälfte aus Einheimischen. Nachdem er lang Ayer's Rock - Olga Mounts hieß, wurde der Park Uluru - Kata Tjuta neu benannt.
So klingt es alles nett: keine Probleme mehr, alles ist gerecht. Nicht ganz, weil die Einheimischen jetzt für den Respekt des Ortes kämpfen müssen. Die Anangus verlangen vor allem, dass die Besteigung von Uluru verboten wird. Für die Touristen ist es ein schöner Aussichtspunkt. Für die Anangus ist Uluru der Wohnort vieler Geister, die die Welt geschaffen haben. Bei der Rückübertragung des Eigentums der Erde wurde den Anangus von der National Parks and Wildlife Agency versprochen, dass diese Entscheidung bald kommen würde. Im Endeffekt wurde sie immer wieder vertagt...weil die Tourismuslobby Druck ausübt. Die Vertreter der Resorts, Hotels, Reiseagenturen und dem der australischen Regierung sind überzeugt, dass die Anzahl der Touristen sinken würde, wenn ein definitives Verbot entstehen würde.
Die Idee setzt sich doch allmählich durch. Befragungen haben gezeigt, dass nur 10% der Touristen besteigen Uluru. Es wurde folgende Frage im Rahmen einer anderen Umfrage gestellt: würden Sie in Uluru kommen, wenn die Besteigung verboten wäre? Nur 20% der Touristen hätten behauptet, dass sie den Weg nicht fahren würden...Inzwischen versuchen die Rangers die Touristen fürs Anliegen der Anangus zu sensibilisieren.
Außerdem wurden die Kriterien, damit man Uluru begehen darf, nach zahlreichen Unfällen (Herzinfarkt, Sturz, vom Blitz erschlagene Leute) drastisch erhoben. So darf man die Besteigung nicht unternehmen:
- nachts
- nach 8:00 Uhr zwischen Dezember und Februar (Sommer)
- nach 8:00 Uhr wenn es wärmer als 36°c ist
- wenn die Windgeschwindigkeit 25 Knoten überschreitet
- wenn die Regenwahrscheinlichkeit in den nächsten 3 Stunden 20% überschreitet
- wenn die Gewitterwahrscheinlichkeit in den nächsten 3 Stunden 5% überschreitet
- wenn mehr als 20% der Fläche des Felsen nass ist
- wenn das Wetter bedeckt ist
- wenn eine Anangu Feier stattfindet.
Jeder Zuwiderhandelnde kann eine schöne Strafe zahlen. Man muss mit viel Glück rechnen, damit alle Bedingungen erfüllt werden. So gewöhnt man die Leute dran, dass es unmöglich ist, Uluru zu trampeln. Die Anangus sind zuversichtlich, dass das endgültige Verbot in den nächsten Jahren erklärt wird. Dann wird man die hässliche Kette wegnehmen, die zur Vereinfachung der Besteigung gebaut wurde, und den Fels entstellt.
Es besteht weitere Verbote um Uluru herum. Manche Stellen dürfen nicht fotografiert werden, weil sie besonders heilig sind. Schilder zeigen die Abschnitte, wo Aufnahmen respektlos gegenüber den Anagus sind. Zu diesem Zweck ergriff auch das Kulturzentrum eine aussergewöhnliche Maßnahme: es thront das "sorry Book" über einer Haufe kleiner Steine in einem der Ausstellungsräume. Leute, die Steine von Uluru mit nach Hause genommen hatten, haben sie im Endeffekt mit einem Entschuldigungsbrief zurückgeschickt. Sie erzählen, wie sie besonders viel Pech erlebt haben, seit sie heimgekommen sind. Todesfall von Verwandten, Jobverlust, Finanzprobleme, Autounfälle, Brände oder Überschwemmungen...Alle legen Gewicht auf den plötzlichen Aspekt dieser Ereignisse, nach ihrer Rückkehr aus Australien. Die Steine des Bedauerns: sie hoffen, dass sich alles wieder ändern wird, nachdem sie die gestohlenen Steine zurückbringen.
Am nächsten Tag folgen wir eine von einem Parkranger geführte Tour. Entlang des "Mala Walk" entdecken wir die mit Uluru verbundenen Anangu Legenden. Die Ungleichförmigkeiten der Fläche des Felsen werden fast immer mythologisch erklärt: eine Python Göttin, ein Dingo Dämon oder eine Rieseneidechse haben hier einen Bruch während eines gewaltigen Kampfes im Fels hinterlassen; dort zeigen Löcher in der Form von Hundespuren die Flucht des Dingo Dämons. Es ist alles sehr poetisch.
Es gibt noch Felszeichnungen am Fundament von Uluru in den Orten, wo Geheimfeier stattfinden. Die Bedeutung dieser Zeichnungen ist unbekannt. Die Einheimischen legen Wert darauf, dass bestimmte Aspekte ihrer Glauben mysteriös bleiben.
Der Ranger stellt uns ein paar wichtige Pflanzen vor. Mit diesen kleinen Blättern wird eine Abkochung gemacht; das Holz dieses Baums ist hart genug für Waffen; diese kleinen Pflaumen bringen viel Kohlenhydrat; dieser rote Saft hat gute narbenbildende Eigenschaften...Er erzählt auch, wie die Einführung der europäischen Nahrung in die lokale Diät eine Katastrophe war. Zucker hat zum Beispiel eine Diabetes Epidemie ausgelöst. Außerdem ist das Lebewesen der Einheimischen sehr empfindlich gegenüber Alkohol. Abhängigkeit und Zirrhose richten Schäden an.
Nach der geführten Tour starten wir die 10km lange Runde des Felsen unter den schlimmsten Bedingungen.
Es ist 11:00 Uhr, schon 40°c warm und viele Fliegen sind dabei. Wir ziehen unsere eleganten Schutznetze an, die unser Sichtfeld begrenzen und die Luft noch erstickender machen. Sie sind aber unerlässlich, um nicht verrückt zu werden. Die Zweiflieger kommen überall rein: in die Ohren, die Augen, die Nasenlöcher. Sie suchen Feuchtigkeit und Salz.
Uluru zieht Götter, Menschen und Tiere seit Millionen Jahren an, weil konsequente, zuverlässige Wasserreserven am Rand des Felsen bestehen. Regenwasser fließt und fällt in natürliche Becken. Uluru ist im Fakt eine Oase...Größere Bäume sind über die Quellen gewachsen, und ihre Farbe stellt einen starken Kontrast mit dem orangen Sandstein des Felsen. Die Quellen ziehen Vögel, Kängurus, Schlangen an...Leben.
Es war den Einheimischen immer bewusst, dass die Ressourcen begrenzt sind, und sie haben diese Wasserquellen immer sparsam verwendet. Sie nutzten zuerst die temporären, durch frühere Regen gebildeten Quellen, und erst dann die zuverlässigeren Brunnen in trockenen Zeiten. Ein frühzeitiges ökologisches Gewissen, von dem man sich früher inspirieren hätte müssen.
Uns gefällt Ulurus Farbe sehr. Der Sandstein, aus dem er besteht, ist so alt, dass er keine Muschelschalen beinhaltet. Der Fels ist nicht nur ein "Inselberg", er ist auch ein Eisberg: er wäre 6km tief in der Erde...
Es gibt nichts besseres, als sich den Sonnenuntergang anzuschauen, um alle möglichen Farben zu sehen (Video):
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Und den Sonnenaufgang. Er ist noch beeindruckender:
Wir sehen dabei vom eingestellten Aussichtspunkt von Kata Tjuta zu, die auch als Olga Berge bekannt sind. Heute morgen sehen wir, wie die Sonne die "zahlreichen Köpfe" (Übersetzung des einheimischen Ausdrucks) in rot färbt. Dann folgt eine Wanderung innerhalb dieses heiligen Ortes der Anangus.
Wir verbringen mehrere Tage in diesem mythischen Park, um die besondere heilige Stimmung auf uns einwirken zu lassen.
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