Nachdem wir wieder in El Chalten sind, fahren wir zu der Sehenswürdigkeit, wozu nicht Wanderer auch nach Patagonien kommen: dem Perito Moreno Gletscher.
Der Perito Moreno ist der beeindruckendste aller Gletscher der Anden: 15km lang, 5km breit. Er erreicht 60m über dem Seespiegel seine Fläche ist äquivalent zu der von Buenos Aires. Es ist ein Teil des *Hielos Continentales*, einer riesigen, 500km langen Eisfläche zwischen Argentinien und Chile. Das Eis rutscht langsam bis zum See und bildet dabei die Gipfel und Täler der Berge. Die Stücke, die wir heute von der Gletscherwand fallen sehen, sind ca. 15.000 Jahre mit dem Gletscher gereist. Eine richtige Erdkunde Vorlesung.
Der Perito Moreno ist einer der einfach erreichbaren Gletscher. Stellt euch vor, dass so ein Wunder der Natur in der Nord-Hemisphäre nur über 3000m Höhe im weiten Norden (Alaska, Norwegen, Island) sichtbar ist. Hier sind wir knapp über dem Meeresspiegel, und bei 45° Breite. Im Norden würde es heißen, dass ein Gletscher neben Bordeaux liegt.
Der Perito Moreno wurde in die Liste der Menschenerbe der Unesco übernommen, damit er besser geschützt wird.
Wir fahren also zum Gletscherpark, um ihn zu sehen. Kreuzfahrten bieten an, relativ nah an die Gletscherfront zu kommen. Das Schiff fährt eine Stunde lang, so dass die zahlreichen Touristen die Zeit haben, wahnsinnige Bilder zu machen. Haare im Wind vorm Gletscher, nach dem Motto "ich meistere das Ding". Und das noch mit blöden Scherzen. Ihr fragt euch vielleicht, wie man Witze unter der Gürtellinie vor einem Gletscher machen kann? Keine Sorge, manche schaffen es...aber nicht zu lange, weil es auf dem Deck zu kalt ist (erinnert euch an den Wind...). So stellen wir fest, dass wir Massentourismus nicht vermisst haben.
Der Gletscher ist da, unerschütterlich. Ab und zu fällt ein Eisstück ins Wasser und löst dabei eine große oder kleine Welle auf. Der Kapitän muss demtentsprechend die Ausrichtung des Schiffes korrigieren.
Die beste Lösung, sich dem Perito Moreno anzunähern ist aber der Laufsteg entlang der Front. Was den Blick auf den Gletscher vereinfacht ist vor allem Die Konfiguration des Ortes. Kurz vorm See wird der Perito Moreno zickzackförmig. Das eine Ende Stoßt gegen eine Steinbildung. Genau an dieser Stelle wurde der Laufsteg aufgebaut, über den wir den Gletscher fast berühren können.
Dadurch blockiert der Gletscher den Wasserfluss und ein Damm wird zwischen beiden Teilseen gebildet. Mit der Zeit erhöht sich das Wasserpegel, der Druck steigt und eines Tages explodiert der Damm mit lautem Krach. Dies wird Bahnriss genannt. Dieses Ereignis kommt ca. jede 4 Jahre vor. Es ist zwei Tage vor unserem Besuch passiert. Da wo der Eisdamm vorher stand, sieht man nur noch einen riesigen Bogen, der nach nach und nach dünner wird. Darunter fließen starke Wasserströme, um den Pegel beider Seen auszugleichen.
Wir können die riesigen Eisstücke vom Bogen mit erschreckendem Lärm in den Wasserstrom herunterfallen. Die Eisteile kommen an die Oberfläche zurück und werden sofort vom Strom mitgenommen. Die Eisberge sammeln sich etwas ferner im See, wo sie ihre Wanderung starten (Video).
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Wir verbringen ein paar Stunden mit der Beobachtung der unglaublichen Formen des Gletschers. Wir warten auf das Grollen, Knirschen...Die Spannungen erscheinen oder verschwinden. Der Perito Moreno lebt, und zwar gut, wenn man ihn mit seinen Kollegen der Nordhemisphäre vergleicht. Er gehört zu den wenigen Gletschern weltweit, die noch wachsen.
Auf dem Laufsteg treffen wir Jarek, unseren polnischen-neuseeländischen Freund vom W Trail. Er hat unsere Ratschläge beachtet und ist auch hierher gekommen...und ist nicht enttäuscht!
Nach diesen Stunden Betrachtung steigen wir aus dem Laufsteg herunter; trotz unserer fünf Schichten technischer Bekleidung, Polartec und Gore Tex zittern wir vor Kälte.
Und so, ohne es zu erwarten, erreichen wir Weihnachten. Wir sind fast überrascht. Wir feiern mit einer riesigen Parilla in einem Restaurant von El Calafate, einem Schokokuchen und einer Flasche Schaumwein namens Chandon.
"Moet" ist verschwunden, sowie 75% des Preises der Flasche. Der Geschmack erinnert uns aber an den vom Champagner und gibt diesem Abend einen richtigen Feiercharakter (zusätzlich zu den von Michelle im Wohnmobil aufgehängten Weihnachtsgirlanden und Kugeln). Sonst sieht es nicht ganz wie der 24 Dezember aus. Die Nacht kommt erst gegen 22:00 Uhr, dann fallen die Temperatur und dieser verdammte Wind. Kein Schmuck auf den Strassen (sie wären sowieso von den Sturmböen weggeräumt), kein Weihnachtsmann an den Kaminen aufgehängt.
Kein Räucherlachs, keine Austern, kein Weihnachtskuchen in den Supermärkten. Hier wird einen Familiengrill gemacht. Es gibt eine Weihnachtsmesse. Anscheinend gibt es kaum Geschenke unterm Weihnachtsbaum. Wir haben sowieso keinen Weihnachtsbaum gesehen. Andere Hemisphäre, andere Gewohnheiten.